Zu Frage des Vorliegens einer beharrlichen Arbeitsverweigerung

ArbG Berlin, Urteil vom 25.05.2012 – 28 Ca 4449/12

1. Der Tatbestand sogenannter „beharrlicher Arbeitsverweigerung“ setzt in der Person des Arbeitnehmers dessen „intensive Weigerung“ (Nachhaltigkeit) voraus (wie BAG 21.11.1996 – 2 AZR 357/95NZA 1997, 487).

2. Von solcher „Nachhaltigkeit“ kann im Zuge dialogischer Konfrontation über das (ggf. vermeintliche) Recht einer Verkäuferin, zum Verzehr eines Brötchens eine Pause einzulegen, keine Rede sein, solange die vom Arbeitgeber selber als „wutentbrannt“ geschilderte Betroffene noch keine Möglichkeit hatte, zu besonnener Überlegung und Entschlussfassung zurückzukehren (vgl. im gleichen Sinne schon LAG Frankfurt/Main 21.05.1985 – 13 Sa 102/05 – BB 1986, 135).

(Leitsätze des Gericht)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 5. März 2012 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 15. April 2012 fortbestanden hat.

II. Die weitergehende Feststellungsklage wird abgewiesen.

III. Die Zahlungsklage wird abgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 46,2 v.H., die Beklagte 53,8 v.H. zu tragen.

V. Der Wert der Streitgegenstände wird auf 3.370,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1 Es geht im Wesentlichen um auf Gründe im Verhalten gestützte – fristlose – Kündigung. – Vorgefallen ist dies:

I.

2 Die Klägerin trat mit dem 10. März 2011 als „Floristin“1 in die Dienste der Beklagten, die mit weniger als zehn Arbeitspersonen (s. unten, S. 5 [V.1.]) in mehreren Ladengeschäften einen Blumenhandel betreibt. Als Anlage zum nach Diktion und Erscheinungsbild von der Beklagten gestellten Arbeitsvertrag ließ diese die Klägerin eine gleichfalls vordruckmäßig ausgestaltete Erklärung2 (Kopie: Urteilsanlage I.) unterzeichnen, wonach ihr (Klägerin) „bekannt“ sei, dass „neben der Arbeitgeberin auch Herr K. E.3 in allen Personalfragen verantwortlich“ und nicht nur weisungsbefugt, sondern unter anderem auch kündigungsberechtigt sei. – Zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, bezog die Klägerin – wie vertraglich vereinbart4 – für 40 Wochenarbeitsstunden ein Monatsgehalt von 1.360,– Euro (brutto).

II.

3 Mit besagten „Ereignissen“ hat es folgende Bewandtnis:

4 1. Am 5. März 2012 kam es zwischen Herrn E. und der Klägerin (wohl) zu einem Eklat, der in die eingangs schon erwähnte Kündigung mündete. Die diesbezüglichen Darstellungen der Parteien vor Gericht unterscheiden sich freilich beträchtlich:

5 a. Die Beklagte lässt die Dinge anwaltlich unter Berufung auf das Zeugnis ihres Mannes und einer Kollegin der Klägerin (Frau A. B.) so schildern5:

6 „Der wichtige Grund für die fristlose Kündigung liegt in dem Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit am 05.03.2012 gegen 16:05 Uhr. …

7 Hintergrund war, dass der Mitarbeiter K. E. die Klägerin gegen 16:00 Uhr am 05.03.2012 zum wiederholten Mal im hinteren, nicht einsehbaren Raum des Blumengeschäfts hinter dem dortigen Vorhang stehend antraf, wie sie dabei war, Brötchen zu essen. …

8 Da die Klägerin am 05.03.2012 gegen 16:00 Uhr die einzige Floristin im Blumengeschäft war und das Geschäft somit unbeaufsichtigt, forderte der Zeuge E. die Klägerin auf, die Pause und das Essen zu beenden und sich wieder in den Verkaufsraum zu begeben. …

9 Der Mitarbeiter E. wies die Klägerin darauf hin, dass sie nicht ständig den Verkaufsbereich verlassen und sich in den hinteren Raum zurückziehen dürfe.

10 Daraufhin erwiderte die Klägerin sinngemäß, dass sie sich das nicht bieten lassen müsse. Wutentbrannt entfernte die Klägerin ihre Arbeitsschürze, warf sie auf den Bindetisch mit den Worten: ‚ich gehe jetzt‘. Herr E. sagte der Klägerin sodann sinngemäß, sie dürfe die Arbeit nicht verlassen, wenn sie jetzt gehe, würde er fristlos kündigen. Die Klägerin erwiderte sinngemäß, das sei ihr egal“.

11 b. Demgegenüber lässt die Klägerin – gleichfalls anwaltlich und ihrerseits unter Berufung auf das Zeugnis von Frau B. – dies unterbreiten6:

12 „Nachdem die Klägerin am 05.03.2012 ihren Dienst etwa gegen 13:00 Uhr angetreten hatte, kam es gegen etwa 16:00 Uhr zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Ehemann der Beklagten und der Mitarbeiterin Frau A. B., welche die Klägerin schlichten wollte. Dies führte dann dazu, dass der Ehemann der Beklagten den Streit auf die schlichten wollende Klägerin mit dem Vorwurf erweiterte ‚und Du isst den ganzen Tag!‘. Hierzu gilt, dass im Betriebe der Beklagten überhaupt keine Pausenregelung besteht und selbst im hinteren Bereich keine Sitzmöglichkeit vorhanden ist, so dass u.a. auch die Klägerin lediglich zwischendurch und im Stehen bissweise etwas zu sich nehmen konnte, am fraglichen Tag im Übrigen erstmalig.

13 Als sich die Klägerin gegen den ihr gegenüber erhobenen Vorwurf verteidigen wollte – die Mitarbeiterin Frau B. befand sich vor dem Verkaufsraum, vom hinteren Bereich aus ist das Ladengeschäft überwiegend zu überblicken – ließ der Ehemann der Beklagten nicht ab und schrie seinen Ärger lauthals gegenüber der Klägerin aus. Daraufhin forderte die Klägerin ihn auf, sich doch zu mäßigen. Diese Diskussion spielte sich im Kassenbereich des Ladengeschäftes selbst ab. Dessen ungeachtet schrie der Ehemann die Klägerin weiter an, so dass sie ihn aufforderte, nunmehr mit dem Geschreie aufzuhören, da sie sich in einer solchen Atmosphäre nicht in der Lage sehe, ihre Arbeit fortzusetzen. Daraufhin erklärte der Ehemann der Beklagten, sie könne ja gehen, sie müsse nur noch die fristlose Kündigung unterschreiben. [Beweis: Zeugnis Frau B.].

14 Eine Aufforderung, die Klägerin möge ihre Arbeitspflichten erfüllen, erfolgte seitens des Ehemannes der Beklagten jedenfalls nicht. [Beweis: wie zuvor]“.

15 2. Fest steht, dass Herr E. nun prompt und an Ort und Stelle eigenhändig ein Schreiben7 (Kopie: Urteilsanlage II.) aufsetzte und dieses der Klägerin – anscheinend zugleich gegen Rückgabe der Ladenschlüssel (s. Text a.a.O.) – in die Hand drückte. Darin erklärt er die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses, „weil sie den Arbeitsplatz (ort) vorzeitig verlassen“ habe.

III.

16 Damit will die Klägerin es allerdings nicht bewenden lassen:

17 1. Mit ihrer am 19. März 2012 bei Gericht eingereichten und fünf Tage später (24. März 2012) zugestellten Klage erstrebt sie die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die vorerwähnte Kündigung nicht beendet sei, sondern „unbefristet“ fortbestehe. Sie hält die Kündigung nicht für gerechtfertigt8. Weder habe sie am fraglichen Tage ihren Arbeitsplatz noch den Arbeitsort vorzeitig verlassen, sondern lediglich mangels entsprechender Pausenregelung im hinteren Bereich des Ladensgeschäfts ein Brötchen essen wollen9. – Außerdem verlangt sie Zahlung von 378,50 Euro (brutto) als Ausgleich für Überstunden: Diesbezüglich sei mit der Beklagten vereinbart worden, dass „Überstunden mit 6,– Euro vergütet werden sollten“10. Im Dezember 2011 habe sie – wie sie unter Hinweis auf einen Notizzettel11 (Kopie: Urteilsanlage III.) versichert – 81 Überstunden geleistet, im Januar 2012 21 Überstunden und im Februar 2012 noch einmal 1,5 Überstunden12.

IV.

18 Die Klägerin beantragt sinngemäß,

19 1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 5. März 2012 mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde, sondern über den 5. März 2012 unbefristet fortbesteht;

20 2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 378,50 Euro (brutto) zu zahlen.

21 Die Beklagte beantragt,

22 die Klage abzuweisen.

V.

23 Sie hält die Klage der Sache nach für insgesamt gegenstandslos:

24 1. Was dabei zunächst die Kündigung betreffe, so legt sie zunächst Wert auf die Feststellung, dass sie mit nicht mehr als zehn vollen Stellen im Sinne des § 23 KSchG13 einen Kleinbetrieb unterhalte14. Die Kündigung sei aus den von ihr unterbreiteten Gründen (s. oben, S. 1-2 [II.1 a.]) auch gerechtfertigt, weil die Klägerin beharrlich gegen ihre arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht verstoßen habe15. Die Klägerin habe trotz verbindlicher Anweisung, das Essen zu beenden und ihre Arbeit aufzunehmen, „den Arbeitsplatz während der Arbeitszeit verlassen“, und dies obendrein „trotz der Anweisung zu bleiben und trotz des Hinweises, andernfalls das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen“16.

25 2. Anspruch auf Vergütung von Mehrarbeit bestehe nicht17: Abgesehen davon, dass der diesbezügliche Vortrag der Klägerin unsubstantiiert sei, sehe der Arbeitsvertrag grundsätzlich Freizeitausgleich und keine Stundenvergütung vor18. Schließlich ließen sich dem Dienstplan ihres Geschäfts „auch keine eingetragenen Überstunden der Klägerin entnehmen, was zudem in den Wintermonaten überdies unwahrscheinlich“ sei19.

VI.

26 Hierzu erwidert die Klägerin unter anderem, ein Freizeitausgleich sei wegen des Personalengpasses im Hause der Beklagten „zeitlich nie möglich“ gewesen20. Im Übrigen beziehe sie sich „hinsichtlich der dargelegten Überstundenregelung auf das Zeugnis der Frau A. B.“21.

VII.

27 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

28 Der Klage war im aus dem Tenor ersichtlichen Umfange zu entsprechen; wegen der weitergehenden Begehren musste ihr der Erfolg versagt bleiben. – Der Reihe nach:

29

A. Die fristlose Kündigung

30 Die Kündigung im Schreiben vom 5. März 2012 (s. oben, S. 4 [2.]; Urteilsanlage II.) hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Ein Grund zur fristlosen Kündigung kann der Beklagten nicht bescheinigt werden. – Der Reihe nach:

I.

31 Die Klägerin hat ihre Feststellungsklage binnen dreier Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens (5. März 2012) bei Gericht einreichen lassen (19. März 2012). Deren Zustellung ist am 24. März 2012 bewirkt worden. Damit hat die Klägerin selbst ohne die andernfalls rechtlich gebotene22 Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen aus § 167 ZPO23 die ihr durch §§ 13 Abs. 1 Satz 224, 4 Satz 125 KSchG zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigung „gilt“ folglich nicht schon kraft Gesetzes nach §§ 13 Abs. 1 Satz 226, 7 (1. Halbsatz)27 KSchG als „von Anfang an rechtswirksam“. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit vielmehr eines besonderen (hier sogenannten „wichtigen“) Grundes und darf – selbstverständlich – auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen.

II.

32 Diesen Anforderungen genügt die hiesige Kündigung indessen nicht. Die Klägerin hat der Beklagten in der Tat keinen Grund gegeben, ihr Arbeitsverhältnis – gar fristlos – aufzukündigen. Die Kündigung wäre schon nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG2828 „sozial gerechtfertigt“29 und folglich aufgrund des § 1 Abs. 1 KSchG3030 rechtsunwirksam. Erst recht steht der Beklagten kein sogenannter „wichtiger“ Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB31 zur Seite. Jedenfalls ließe sich eine kündigungsrelevante Sachlage anhand des Prozessvorbringens der darlegungs- und beweisbelasteten4 Beklagten nicht feststellen:

33 1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG33 ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Von den so umschriebenen möglichen „Störquellen“ (Wilhelm Herschel 34) im Vollzug eines Arbeitsverhältnisses geht es der Beklagten hier erklärtermaßen um sogenannte verhaltensbedingte Gesichtspunkte.

34 2. Deren rechtliche Voraussetzungen lassen sich für die hiesige Kündigung indessen, wie eben schon vorausgeschickt, nicht feststellen. Als „Grundstein“ setzt die verhaltensbedingte Kündigung bekanntlich eine – in aller Regel: vorwerfbare – Verletzung vertraglicher Pflichten des Arbeitnehmers voraus35. Dergleichen gibt das hiesige Konfrontationsgeschehen vom Nachmittag des 5. März 2012 aber nicht her. – Insofern, nochmals, der Reihe nach:

35 a. Der Beklagten ist einzuräumen, dass die aus dem Zeitalter sogenannter absoluter Kündigungsgründe36 stammende37 Denkfigur „beharrlicher Arbeitsverweigerung“ aller Bemühungen des parlamentarischen Gesetzgebers38 zum Trotz nach wie vor vielfach die betriebliche Praxis undifferenziert beeinflusst39. Richtig ist auch, dass fortgesetzt unberechtigte Verweigerung der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers (s. § 611 Abs. 1 BGB40) nach wie vor – und im Ausgangspunkt auch plausibel – als im Grundsatz geeignet angesehen wird, eine (ggf. sogar abrupte) Kündigung „sozial“ zu rechtfertigen41. Allerdings achten die Gerichte für Arbeitssachen mittlerweile verstärkt darauf, auch diesseits sogenannter Interessenabwägung und somit bereits beim gedanklich vorgelagerten „Kündigungsgrund“ die spezifischen Verhältnisse des konkreten Einzelfalls differenzierter als gewohnt zu berücksichtigen42 und damit aus dem Bann früherer Denkschablonen zu lösen.

36 b. Den Konsequenzen wird das hiesige „Konfliktmanagement“ der Beklagten nicht gerecht. Dieses unterschätzt nicht nur bei weitem die unheilvolle Dynamik, die selbst nach ihrer eigenen Sachdarstellung der hiesigen dialogischen Konfrontation innewohnte, sondern offenbar auch die kündigungsschutzrechtlichen Anforderungen des im Anschluss an Ulrich Preis43 sogenannten „Prognoseprinzips“44 (BAG a.a.O.45). – Insofern, letztmalig, der Reihe nach:

37 ba. Die Beklagte beschreibt das Konfliktgeschehen (s. oben, S. 2-3 [II.1 a.]) phänomenologisch als Trotzreaktion der Klägerin, die auf den zwar schon rhetorisch eher kontraproduktiven („ständig“??), aber doch im Kern sachorientierten Vorhalt, nicht „ständig“ den Verkaufsbereich zu verlassen, die – um ein Bild zu gebrauchen – „Brocken hingeschmissen“ habe. Immerhin bescheinigt sie deren Stimmungslage als „wutentbrannt“ und zitiert sie mit dem Ausruf: „Ich gehe jetzt“! – Angesichts dessen erscheint in der Tat kaum noch der Erwähnung wert, dass die Klägerin in dieser Verfassung selbst durch Hinweis Herren E. auf die Folgen solchen ungestümen Handlungselans nicht etwa zu bremsen gewesen, sondern vielmehr – wenn auch nur „sinngemäß“46 – erwidert habe, das sei ihr „egal“. – Hält man sich demgegenüber vor Augen, dass das Geschehen am 5. März 2012, insbesondere, was die emotionale Färbung des dialogischen Austauschs betrifft, nach der Gegendarstellung der Klägerin (s. oben, S. 3 [b.]) genau umgekehrt verlaufen sei, weil den gleichermaßen unsachlichen wie disziplinlosen „Part“ allein der Ehemann der Beklagten gespielt habe („schrie seinen Ärger lauthals“ heraus), und stattdessen sie (Klägerin) es gewesen sei, die sein kopfloses Agieren nicht habe bremsen können, so könnte dem Betrachter Angst und Bange bei der Aussicht werden, in einer solchen Gemengelage hochgradig gefühlsgeprägter Erlebnisschilderungen etwa nach „Wahrheit“ suchen zu sollen.

38 Solcher Last ist das befasste Gericht hier jedoch – glücklicherweise – enthoben. Es braucht die ihm zur Vergewisserung über die Realien der Konfrontation vom 5. März 2012 beiderseits benannten Auskunftspersonen nicht über Erinnerungsbilder befragen. Dabei ist mit „glücklicherweise“ nicht etwa gemeint, dass die Kammer auch nur die geringsten Vorbehalte gegen die persönliche Integrität von Herrn E. oder Frau B. hegte. Gemeint sind vielmehr ebenso legendäre47 wie strukturelle48 Probleme, die mit Erinnerungsbildern von Menschen anthropologisch verbunden sind. Diese Probleme untergraben nicht nur machtvoll die Authentizität besagter Bilder, sondern lassen das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auch mit Maßstäbe setzendem Realitätssinn49 von der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises „generell“ sprechen50.

39 bb. All dessen enthoben ist die Kammer hier indessen – wie zuvor schon angedeutet – aus normativen Gründen:

40 (1.) Der Streitfall bietet nämlich ein Lehrstück für die Berechtigung der Zu-rückhaltung, mit der sich die zitierte jüngere Judikatur des Bundesarbeitsgerichts dem Merkmal der „Beharrlichkeit“ des als Arbeitsverweigerung tradierten Kündigungsgrundes mit ihren Hinweisen auf die Nachhaltigkeit des Weigerungsverhaltens im Lichte des Prognoseprinzips nähert51. In beiden Aspekten verweist diese jüngere Judikatur im strukturellen Gleichlauf mit weit älteren Vorbildern aus der arbeitgerichtlichen Rechtsprechung52 auf das Gebot, sogenannte „beharrliche“ Arbeitsverweigerung nicht unbesehen dem punktuellen Konfliktgeschehen entnehmen zu wollen53. Neuzeitlich aufgeklärtem Konfliktmanagement, das namentlich im Dienste des vorerwähnten Realitätssinns die Erkenntnisse über die psychologische Dynamik zwischenmenschlichen Konfrontationsgeschehens sachgerecht verarbeitet, entspringt demgegenüber die Einsicht, dass – objektivierbare – „Beharrlichkeit“ im Verweigerungsverhalten einer Arbeitsperson einen brauchbaren Anknüpfungspunkt nicht zuletzt im Zeitablauf benötigt: Gerade diese Klärungsphase hat der Ehemann der Beklagten als direkter Kontrahent der dialogischen Konflikts freilich nicht zugelassen: Er hat sich schon nach eigener Sachdarstellung der Beklagten vielmehr ebenso spontan wie hektisch zur ultimativen „Flurbereinigung“ hinreißen lassen. Damit war nicht nur der Weg verbaut, nach Beruhigung der (wohl) beiderseits aufgewühlten Temperamente klarere Gedanken zu besonnener Problembewältigung zu fassen, sondern auch die Chance vertan, die etwaige „Beharrlichkeit“ der Haltung der Klägerin unter emotional etwas gedeihlicheren Bedingungen auf die Probe zu stellen.

41 (2.) Genau dies konnte – natürlich – nicht gut gehen:

42 Zur Frage, warum das so ist, bietet vor allem die sozialwissenschaftliche Forschung – neben relativ leicht zugänglichen Erkenntnissen schlichter Selbsterfahrung – eindrucksvolles Anschauungsmaterial: Friedrich Glasl, einer der Pioniere der jüngeren Konfliktforschung, erinnert in seinem Standardwerk zum „Konfliktmanagement“54 im Abschnitt über „Seelische Faktoren in sozialen Konflikten“55 sehr bildhaft daran, dass Konflikte auf die meisten Menschen eine Wirkung ausübten, „wie ein Fluss im Gebirge“; und weiter:

43 „Wir geraten in den Strudel der Konfliktereignisse und merken plötzlich, wie uns eine Macht mit zu reißen droht. Wir müssen all unsere Sinne wach halten und sehr überlegt handeln, damit wir uns nicht in eine Dynamik des Geschehens weiter verstricken, die über unsere Kräfte geht. …

44 Konflikte beeinträchtigen unsere Wahrnehmungsfähigkeit und unser Denk- und Vorstellungsleben so sehr, dass wir im Lauf der Ereignisse die Dinge in uns und um uns herum nicht mehr richtig sehen. Es ist so, als würde sich unser Auge immer mehr trüben; unsere Sicht auf uns und die gegnerischen Menschen im Konflikt, auf die Probleme und Geschehnisse wird geschmälert, verzerrt und völlig einseitig. Unser Denk- und Vorstellungsleben folgt Zwängen, deren wir uns nicht hinreichend bewusst sind.

45 Auch unser Gefühlsleben wird stark beeinträchtigt. Wir werden zunächst sehr hin und her gerissen zwischen Verstehen und Ablehnung, Sympathie und Antipathie; bis sich dann starke Gefühle und Emotionen ausbreiten und fixieren, von denen wir uns später nur ganz schwer lösen können. Sie setzen sich in uns fest und gewinnen ein Eigenleben. …

46 All diese Veränderungen und Beeinträchtigungen wirken zusammen. Sie beeinflussen einander, verstärken sich gegenseitig und führen dazu, dass wir auf diese Weise die Kontrolle über uns selbst verlieren. Dies drückt sich dann in unserem äußeren Verhalten aus. Es wird aggressiver, zerstörerischer. Wir lösen durch Wort und Tat Wirkungen aus, die wir zumeist so gar nicht gewollt hätten“.

47 Dieselbe Dynamik hatte etwa Erwin Fromm im Auge, als er in seinem Beitrag über „Eigenkündigung und Aufhebungsvertrag im Licht der Kommunikationspsychologie“ schon 199456 auf die oben erwähnte Judikatur des LAG Frankfurt57 verwies58, wonach stark emotional gefärbten Erklärungen keine rechtsgeschäftliche Relevanz zuzubilligen sei. Dies ergänzend fährt Fromm a.a.O.59 unter Hinweis auf jüngere Erkenntnisse der Kommunikationspsychologie fort:

48 „b) Schulz von Thun60 hat in einer lesenswerten und kurzweiligen Darstellung besonders einprägsam ausführt, wie sprachliche Äußerungen in aller Regel vier verschiedene Aspekte betreffen, nämlich neben der eigentlichen Sachinformation, die Selbstoffenbarung, die Beziehung der Kommunikationspartner und eine Appellfunktion.

49 Sagt der Ehemann während der Autofahrt zu seiner das Fahrzeug steuernden Ehefrau: ,Du, da vorne die Ampel ist grün!‘, so wird neben der Sachinformation ‚die Ampel ist grün‘ folgendes zum Ausdruck gebracht: ‚Gib Gas!‘ (= Appellfunktion), ‚Ich muss Dir helfen‘ (= Beziehungsaspekt). ‚Ich habe es eilig‘ (= Selbstoffenbarung).

50 c) Genau diese 4 Dimensionen sprachlicher Äußerungen müssen auch beachtet werden, wenn ein Arbeitnehmer erklärt: ‚Gib mir die Papiere‘, ‚Jetzt gehe ich nach Hause‘ (und dann auch tatsächlich geht), ‚Macht doch euren Kram allein‘ und ähnliches mehr. Häufig steht bei derartigen Äußerungen die Selbstoffenbarung ‚Ich bin wütend‘, ‚Ich muss Dampf ablassen‘, ‚Das lasse ich mir nicht gefallen‘ im Vordergrund.

51 Auf der Ebene der psycho-sozialen (nicht rechtsgeschäftlichen!) Beziehung soll mit derartigen Äußerungen gesagt werden: ,Du bist ein schlechter Arbeitgeber‘, ‚Vergiß nicht, welche Verdienste ich für den Betrieb erworben habe!‘ oder ‚Vergiß nicht, wie wichtig ich für die Funktionsfähigkeit Deines Betriebes bin!‘.

52 … Derartige Selbstoffenbarungen, Beziehungsbotschaften und Appelle drängen die Sachinformation einer sprachlichen Äußerung oftmals so sehr in den Hintergrund, dass diese bedeutungslos wird. Allein im Bereich der Sachinformation können jedoch rechtsgeschäftliche Geltungsanordnungen angesiedelt sein. Ergibt jedoch die Auslegung der sprachlichen Äußerungen im Licht der vier verschiedenen kommunikationspsychologischen Aspekte, dass der Aspekt der Sachinformation von völlig nachgeordneter Bedeutung war, so ist auch nicht möglich, einer derartigen sprachlichen Äußerung einen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert zuzuordnen“.

53 Insofern war auch der Gesetzgeber des Jahres 1999 äußerst gut beraten, durch Art. 2 des Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom 30. März 200061 den Ausspruch von Kündungen (wie auch den Abschluss von Aufhebungsverträgen) in Dienstverhältnissen durch § 623 BGB62 auf die Einhaltung der Schriftform63 festzulegen: Gerade sie soll, wie Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts dazu alsbald mit vollem Recht feststellte, die Parteien des Arbeitsverhältnisses nicht zuletzt vor den Folgen heißblütiger Temperamentsausbrüche schützen helfen64. In denselben Dienst ist auf solchem normativen Hintergrund auch die Auslegung dessen gestellt, was als „beharrliche“ Arbeitsverweigerung einen rechtlich akzeptablen Kündigungsgrund hergeben soll: So wie die hier neuerdings kodifizierte Schriftform65 dient auch das normative Erfordernis der „Beharrlichkeit“ einer Arbeitsverweigerung dem Ziel, den Beteiligten mit ihrem zeitlich gestreckten Verlauf eine Chance zur Besinnung und ggf. rhetorischer Abrüstung zu verschaffen, ehe die Rechtsordnung die unter „geläuterten“ Bedingungen verlautbarten Erklärungen verbindlich macht.

54 (3.) Das alles zeigt: Die Beklagte wäre hier schon nach der eigenen Geschehensversion ihres betrieblichen Sachwalters gehalten gewesen, die Klägerin erst einmal für einen Augenblick in Ruhe zu lassen, ehe die weiteren Fragen über ihre Präsenz im Verkaufsraum des Blumenladens geklärt werden konnten. Dies entspricht im Kern nicht nur dem aus dem Abmahnungsrecht bekannten Gebot, dem Adressaten (dort allerdings: für Leistungsmängel) eine „Umlernphase“ zuzubilligen66, sondern auch der Einsicht, dass sich jede Intervention in auftretende Vertragsstörung zunächst einmal als potentiell rettendes Instrument zur Wiederherstellung gestörter Kooperation darstellen sollte67. Kommt dergleichen – wie hier – zur Unzeit, weil der mit Angriffen auf seine persönliche und berufliche Selbstachtung konfrontierte Adressat nicht kooperieren kann68, so ist die stattdessen per ultimativen Beziehungsabbruchs verhängte „Höchststrafe“ normativ diskreditiert.

III.

55 Könnte der Kündigung hiernach mithin schon keine „soziale Rechtfertigung“ zugebilligt werden (s. zu dieser Kontrollüberlegung nochmals oben, S. 7 [II.]), so hat sie erst recht keinen „wichtigen Grund“ für sich. – Die Konsequenzen bringt der Tenor zu I. des Urteils zum Ausdruck.

56

B. Die fristgerechte Kündigung

57 Weniger gut bestellt ist es um das Rechtsschutzanliegen der Klägerin, soweit sie die Feststellung begehrt, ihr Arbeitsverhältnis bestehe „unbefristet“ fort. – Dies kann ihr nämlich deshalb nicht bescheinigt werden, weil die Kündigung im Schreiben vom 5. März 2012 das Arbeitsverhältnis zumindest mit der regulären Frist des § 622 Abs. 1 BGB69 zum 15. April 2012 aufgelöst hat. Da die Beklagte, wie ihr die Klägerin nicht streitig macht, einen „Kleinbetrieb“ unterhält (s. oben, S. 2 [I.]), bedarf es zur Kündigung keines Grundes im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG70. Die Folge dessen stellt einerseits der Tenor zu I. vorsorglich klar; sie ergibt sich andererseits aus dem Tenor zu II. 58

C. Die Überstunden

59 Aussichtslos ist in der gewählten Form und Aufbereitung das Verlangen der Klägerin nach Vergütung von Überstunden (Klageantrag zu 2.). Insofern hat das Gericht dem Hinweis der Beklagten (s. oben, S. 5 [V.2.]), die Klage sei „unsubstantiiert“, nichts hinzuzufügen. – Fazit: Tenor zu III.

60 D. Die Nebenentscheidungen

61 Hierfür genügen Stichworte:

62 1. Soweit das Gericht über die Kosten seiner Inanspruchnahme befunden hat (s. Tenor zu IV.), bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO71). Da die Parteien teils obsiegt haben und teils unterlegen waren, hatte das Gericht die Kosten zwischen ihnen nach ihren jeweiligen Anteilen am Unterliegen verhältnismäßig aufzuteilen (s. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO72).

63 2. Diese Anteile richten sich wiederum nach dem Wert der beteiligten Streitgegenstände, die das Gericht im Übrigen aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG73 im Tenor festzusetzen hatte. Dabei hat es die Kündigungsschutzklage mit zwei Monatsvergütungen der Klägerin bemessen, also mit (2 x 1.360,– Euro = ) 2.720,– Euro, den weiteren Feststellungsantrag mit einem Zehntel dessen (d.h. 272,– Euro) und die Zahlungsklage mit ihrem bezifferten Betrag (378,50 Euro). Daraus ist ein Gesamtwert von (2.720,– Euro + 272,– Euro + 378,50 Euro = ) 3.370,50 Euro entstanden (s. Tenor zu V.).

64 3. Hieraus wiederum erschließt sich die vorerwähnte Quotenbildung: Da sich die Klägerin gegenüber der fristlosen Kündigung durchgesetzt hat, nicht aber darüber hinaus, hat das Gericht ihren Unterliegensanteil mit 1/3 (von 2.720,– Euro) bewertet, also mit 906,67 Euro. Hinzu kommen ihre Unterliegensanteile wegen der weitergehenden Feststellungsklage mit 272,– Euro und wegen der Zahlungsklage mit 378,50 Euro. Das bedeutet, dass die Klägerin mit insgesamt (906,67 Euro + 272,– Euro + 378,50 Euro = ) 1.557,17 Euro von 3.370,50 Euro das Nachsehen hat. Das entspricht 46,2 v.H. des Gesamtwertes, sodass sie in diesem Umfang an den Kosten zu beteiligen ist. Den Rest von 53,8 v.H. wird die Beklagte beizusteuern haben (Tenor zu IV.).

Fußnoten 1) S. Kopie des Arbeitsvertrags vom 14.3.2011 als Teil des Anlagenkonvoluts B 1 zur Klageerwiderungsschrift vom 16.5.2012 (Bl. 21-23 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]).

2) S. Kopie als (weiterer) Teil des Anlagenkonvoluts B 1 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 20 GA).

3) Bei Herrn E.handelt es sich um den Ehemann der Beklagten; d.U.

4) S. Nrn. 3.1. u. 4.1. ArbV (Fn. 1).

4) S. etwa BGH20.2.1995 – II ZR 9/94ZIP 1995, 560 = NJW-RR 1995, 669 [I.3 a.]: „Wer einen wichtigen Kündigungsgrund geltend macht, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen“; 28.10.2002 – II ZR 353/00ZIP 2002, 2254 = NJW 2003, 431 [I.2 c, bb.]: „Wer einen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB geltend macht, wie hier die Beklagte, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen“; 12.2.2007 – II ZR 308/05ZIP 2007, 396 = NJW-RR 2007, 690 [III.1.]; ständige Rechtsprechung; s. zur Beweislast für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG; Text: (1) … Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen“.

5) S. Klageerwiderungsschrift S. 3-5 [3.] (Bl. 16-18 GA).

6) S. Schriftsatz vom 24.4.2012 S. 1-2 (Bl. 26-27 GA).

7) S. Kopie als Anlage zur Klageschrift (Bl. 3 GA).

8) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 GA).

9) S. Klageschrift a.a.O.

10) S. Klageschrift a.a.O.

11) S. Kopie als Anlage zum Schriftsatz vom 24.4.2012 (Bl. 29 GA).

12) S. Klageschrift a.a.O.

13) S. Text: „§ 23 Geltungsbereich.(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. … [vom weiteren Abdruck wird abgesehen; d.U.]“.

14) S. Klageerwiderungsschrift S. 1-3 [I.2.] (Bl. 14-16 GA) unter Hinweis auf für 8/2011-12/2011 und 1/2012-3/2012 von der Berufsgenossenschaft geführte „UV-Arbeitnehmerlisten“ – Kopie als Anlage B 2a.a.O. (Bl. 24-25 GA).

15) S. Klageerwiderungsschrift S. 5 (Bl. 18 GA).

16) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

17) S. Klageerwiderungsschrift S. 6 [II.] (Bl. 19 GA).

18) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

19) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.

20) S. Schriftsatz vom 24.4.2012 S. 2 (Bl. 27 GA).

21) S. Schriftsatz vom 24.4.2012 a.a.O.

22) Vgl. zur analogen Anwendung der Vorgängervorschrift in § 270 Abs. 3 ZPO statt vieler BAG26.6.1986 – 2 AZR 358/85BAGE 52, 263 = AP § 4 KSchG 1969 Nr. 14 = NZA 1986, 761 [B.II.3 c, cc.], wonach die Regelung des § 270 ZPO a.F. „auch im Bereich der Klageerhebung nach § 4 KSchG Anwendung findet“; 17.6.1998 – 2 AZR 336/97NZA 1998, 1225 = RzK I 7 b Nr. 32 [II.1.], wonach „gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 270 Abs. 3 ZPO die Drei-Wochen-Frist für die Klageerhebung nach § 4 KSchG auch dann gewahrt wird, wenn die Klage zwar vor Fristablauf bei dem Gericht eingereicht worden ist, aber die Zustellung an den Prozessgegner erst danach erfolgt (§ 270 Abs. 3 ZPO: ‚demnächst‘)“; ebenso schon BAG8.4.1976 – 2 AZR 583/74 – AP § 4 KSchG 1969 Nr. 2.

23) S. Text: „§ 167 Rückwirkung der Zustellung.Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt“.

24) S. Text: „§ 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen.(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden“.

25) S. Text: „§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichts.Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“.

26) S. Text oben, Fn. 26.

27) S. Text: „§ 7 Wirksamwerden der Kündigung.Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam“.

28) S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen.(1) … (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist“.

29) S. zu dieser Prüfungsfolge auch bei Erklärung einer fristlosen Kündigung näher Ulrich Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen (1987), S. 483-484; ders.DB 1990, 685, 689; ders.Anm. BAG EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 44; Reiner Ascheid, KSchR (1993), Rn. 92; Walter Erman/Detlev W. Belling, BGB, Handkommentar, 12. Auflage (2008), § 626 Rn. 45; früher schon Klaus Popp, Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (1980), in: Wilhelm Maus/F. Jochen Kremp, Handbuch des Arbeitsrechts, Teil VI B; s. im gleichen Sinne auch Wilhelm Herschel, BB 1982, 254.

30) S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen.(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist“.

31) S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund.(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann“.

33) S. Text oben, Fn. 32.

34) S. Wilhelm Herschel, Anm. BAG [23.7.1970] AP § 1 Gesamthafenbetriebsgesetz Nr. 3 [III.b.2]: „Die Dreiteilung der Kündigungsgründe gibt … die Richtung an, aus der die Störung kommen kann“; ebenso BAG25.11.1982 – 2 AZR 140/81BAGE 40, 361 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 7 [B.I.3.]; 29.1.1997 – 2 AZR 9/96BAGE 85, 107 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 32 = NZA 1997, 709 [II.1 c.]: „§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG differenziert insoweit nach der ‚Störquelle‘, nicht nach den der ‚Störung‘ eventuell zugrunde liegenden ferneren Ursachen“.

35) S. dazu statt vieler BAG23.6.2009 – 2 AZR 283/08 – n.v. (Volltext in „Juris“) [I.1.]: „Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht – in der Regel schuldhaft – erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint“; s. auch BAG20.8.2009 – 2 AZR 165/08NZA 2009, 1227 [B.I.]: „Eine schwere, insbesondere schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grunde an sich nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen“.

36) S. hierzu anschaulich etwa Ulrich Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen (1987), S. 94 [I.1.]: „Als Gegenbegriff zum absolut wirkenden Kündigungsschutz, bei dem die Kündigung bestimmter Personen oder wegen bestimmter Tätigkeiten ohne Rücksicht auf die Einzelfallumstände unwirksam sein kann, versteht man unter eben solche, bei deren Vorliegen dem Richter keine Wahl bleibt: Er muss die Kündigung ohne Rücksicht auf die Einzelfallumstände oder die Schwere und Intensität des Kündigungsgrundes anerkennen. Diese Gebundenheit des Richters kann zu einer unerträglichen Starrheit in der rechtlichen Beurteilung führen, weil derartige absolute Kündigungsgründe die Prüfung versperren, ob ein Kündigungssachverhalt tatsächlich das zugrundeliegende Arbeitsverhältnis derart beeinträchtigt, dass eine Auflösung des Vertrages gerechtfertigt erscheint“; s. dazu ferner – falls Interesse – auch Bernd Ruberg, Sozialrechtfertigung als Organisationsschutz (1999), S. 112-113.

37) S. aus den Annalen der Gesetzesgeschichte beispielsweise § 111 Abs. 1 der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21.6.1869 (RGBl. S. 245, 270 f.): „Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne vorhergegangene Aufkündigung können Gesellen und Gehülfen entlassen werden: – 1) wenn sie eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder eines liederlichen Lebenswandels sich schuldig machen; – 2) wenn sie den in Gemäßheit des Arbeitsvertrages ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzukommen beharrlich verweigern; … [usw.]“.

38) S. dazu namentlich das Erste Gesetz zur Bereinigung arbeitsrechtlicher Vorschriften vom 14.8.1969 (Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz – BGBl. I S. 1106), in deren amtlichen Materialien (BT-Drs. V/3913 S. 11 [zu Art. 2 Nr. 6]) es heißt, dass die gesetzliche Aufzählung einzelner Kündigungsgründe „sich wegen des stetigen Wandels der tatsächlichen Gegebenheiten als unzweckmäßig erwiesen“ habe.

39) S. hierzu nur Wolfhard Kohte, Anm. LAG Hamm [18.9.2009- 13 Sa 640/09] juris PRArbR 22/2010 Anm. 3 [C.]: „Diese damalige Entscheidung des BAG [gemeint: BAG 13.12.1984 – 2 AZR 454/83NZA 1985, 288; d.U.] richtete sich gegen die lange Zeit übliche Tradition ‚absoluter Kündigungsgründe‘, die durch § 123 GewO seit 1891 vorgegeben und fast 100 Jahre vom BAG aufgegeben worden war. In der betrieblichen Praxis finden sich weiterhin deutliche Spuren solcher solcher absoluten Kündigungsgründe“; s. als eindrucksvollen Beleg den Fall in BAG13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – AP § 307 BGB Nr. 45 = EzA § 307 BGB 2002 Nr. 47 = DB 2010, 2805, wo der Streit der Parteien um die Verbindlichkeit einer Versetzung (hier: von Bielefeld nach München) zum Kündigungskonflikt gedieh und dort als Frage der „Arbeitsverweigerung“ gedeutet (s. Rnrn. 4, 5, 8 und 11 im „Juris“-Tatbestand) und ausgetragen wurde.

40) S. Text: „§ 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag.(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet“.

41) S. hierzu etwa BAG5.4.2001 – 2 AZR 580/09 – BAGE 97, 276 = AP § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 32 = NZA 2001, 893 [II.2 a.]: „Zutreffend geht das LAG allerdings zunächst davon aus, dass eine nachhaltige rechtswidrige und schuldhafte Arbeitsverweigerung an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet ist. … Weigert sich der Arbeitnehmer, die ihm im Rahmen einer rechtmäßigen Ausübung des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit auszuführen, so kann dies, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, im Falle der sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen“.

42) S. zum Beispiel BAG21.11.1996 – 2 AZR 357/95 – AP § 626 BGB Nr. 130 = EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50 = NZA 1997, 487 [II.4 a.]: „Das BAG hat bisher in Fällen einer sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung in aller Regel eine außerordentliche Kündigung als gerechtfertigt angesehen (…). Das BAG, dem die arbeitsrechtliche Literatur ganz überwiegend gefolgt ist (…), ist dabei davon ausgegangen, die beharrliche Arbeitsverweigerung setze in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus; der Arbeitnehmer müsse die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genüge, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lasse, sondern die beharrliche Arbeitsverweigerung setze voraus, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliege. Allerdings könne das Moment der Beharrlichkeit auch darin zu sehen sein, dass in einem einmaligen Falle der Arbeitnehmer eine Weisung nicht befolge, das müsse aber z.B. durch eine vorhergehende, erfolglose Abmahnung verdeutlicht werden. – Wie diesen Ausführungen und insbesondere dem Hinweis auf eine vorhergehende erfolglose Abmahnung zu entnehmen ist, geht damit die Rechtsprechung davon aus, dass zu besorgen ist, der Arbeitnehmer werde in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen; insbesondere ist dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen, die Kündigung werde allein deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil es sich um eine zulässige Sanktion des Arbeitgebers handele. Im Gegenteil: Das Bundesarbeitsgericht hat zumindest seit 1988 (…) deutlich herausgestellt, auch im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung gelte das Prognoseprinzip (ebenso BVerfG21.2.1995 – 1 BvR 1397/93 – […] zu C.I.3 a, aa.]); der Kündigungszweck sei zukunftsbezogen ausgerichtet, weil mit der verhaltensbedingten Kündigung das Risiko weiterer Vertragsverletzungen ausgeschlossen werden solle; entscheidend sei, ob eine Wiederholungsgefahr bestehe oder ob das vergangene Ereignis sich auch künftig weiter belastend auswirke (…)“.

43) S. Ulrich Preis(Fn. 36) S. 322 ff.: „Ein neues, bisher allerdings kaum gewürdigtes Prinzip plaziert sich im Kündigungsrecht: Das Prognoseprinzip. Dieses Prinzip ist die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass die Kündigungsgründe ihrer Natur nach zukunftsbezogen sind. Damit soll ausgedrückt werden, dass für die Rechtfertigung einer Kündigung nicht in der Vergangenheit liegende Ereignisse, sondern allein die zukünftigen Auswirkungen vergangener oder gegenwärtiger Ereignisse ausschlaggebend sind. … Nach Löwisch[Hinweis auf Herschel/Löwisch, Rn. 75 zu § 1 KSchG; d.U.] kommt es ganz allgemein für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung darauf an, ob die Prognose zum Zeitpunkt des Ausspruchs einer Kündigung berechtigt war oder nicht“; ders.DB 1988, 1387, 1388 [3.].

44) S. dazu aus jüngerer Zeit etwa BAG23.6.2009 – 2 AZR 283/08 – n.v. (Volltext: „Juris“) [I.1 b.]: „Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen“; s. weit früher auch schon BAG8.2.1962 – 2 AZR 252/60AP § 611 BGB Erfinder Nr. 1 [III.5.]: „Die Beklagte verkennt, dass eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund des Arbeitsverhältnis zwar für die Zukunft beendet, für den Gekündigten aber keine pönalen Folgen haben kann. Sie ist ihrer Funktion nach das Mittel, das für den Vertragspartner untragbar gewordene und ihm auch für die Dauer der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbare Arbeitsverhältnis zu beenden, mag sie auch ggf. für das gesellschaftliche Ansehen des Betroffenen nachteilige Folgen haben“; s. dazu auch BVerfG2.7.2001 – 1 BvR 2049/00 – AP § 626 BGB Nr. 170 = NZA 2001, 888 = MDR 2001, 1119 [II.1 a.]: „Die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist streng genommen zwar keine Sanktion für Verhalten in der Vergangenheit, sondern nur die Möglichkeit, sich von einem Dauerschuldverhältnis zu lösen, an dem man für die Zukunft zumutbar nicht festhalten kann“.

45) S. BAG 21.11.1996 (Fn. 42) [II.4 a.] – Zitat Fn. 42.

46) S. zur prozessualen Unbrauchbarkeit solcher Zitierungen anschaulich BAG3.4.2008 – 2 AZR 965/06NZA 2008, 807 [B.I.2 b, bb]: „Die vom Landesarbeitsgericht getroffene Würdigung, darin keinen ausreichenden Vortrag einer ausreichenden Stellungnahme zu sehen, enthält keinen revisiblen Rechtsfehler. Durch die Einfügung des Wortes ’sinngemäß‘ hat die Beklagte mit dem sich anschließenden Aussagesatz nicht mehr zum Ausdruck gebracht, als dass sie bzw. das zuständige Vorstandsmitglied glaubte, Herrn Dr. S in diesem Sinn verstehen zu dürfen. Was er in Wirklichkeit gesagt hat, hat die Beklagte mit ihrem Vorbringen nicht einmal behauptet“.

47) S. den eindrucksvollen Stoßseufzer des 460 vor Christus geborenen Thukydides in seiner „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“, Bd. 1, S. 22 (hier zitiert nach Wolfgang Linsenmeier ArbuR 2000, 336 [5.] unter Berufung auf Peter Häberle, Wahrheitsprobleme im Verfassungsstaat [1995], S. 39): „Es kostet Mühe, die Wahrheit herauszufinden, weil die Augenzeugen in ihren Berichten über dieselben Tatsachen nicht übereinstimmen, sondern so sprechen wie ein jeder dieser oder jener seiner Partei günstig gesonnen oder seiner Erinnerung mächtig war“; s. markant auch Peter Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach u.a., ZPO, 61. Auflage (2003), Rn. 6 vor § 373, der den Ausschluss des Zeugenbeweises oberhalb gewisser Streitwertgrenzen (u.a.) in Frankreich „ein Denkmal der Menschenkunde“ nennt (das Prädikat taucht bereits in den noch von Adolf Baumbachbetreuten Auflagen auf: in der 10. Auflage [1935] als „überlegene Gesetzeskunst“, seitdem wie hier zitiert; s. zum Prozessrecht in Spanien und Griechenland auch den Hinweis bei Guido Kirchhoff MDR 1999, 1473, 1474 Fn. 6; s. des weiteren schon Adolf Wach, JW 1918, 797: „Vor allem sollte der Zeugenbeweis, dieser nach Kenntnis jedes Erfahrenen schlechteste Beweis, nach Kräften ausgeschaltet werden“.

48) Mit „strukturell“ sind Phänomene gemeint, die aus regelmäßig unbewussten Kräften erwachsen und im menschlichen Gedächtnis – subjektiv unbemerkte – Veränderungen auszulösen pflegen; dadurch kann den Erinnerungsbildern selbst gutwilligster Auskunftspersonen allein schon im Zeitablauf und (weit) mehr noch unter dem Einfluss von „Kommunikation“ über Erlebtes mit Dritten derart viel „zustoßen“, dass der Zeugenbeweis im praktischen Gebrauch – im krassen Gegensatz zum Ansehen, das ihm in der richterlichen Praxis zuweilen entgegen gebracht wird – nahezu wertlos erscheint; s. zum Problem höchst eindrucksvoll nur Beate Lakotta, im „SPIEGEL“ Nr. 52/2001 S. 174, 175: „Jeder Abruf verändert … die alte Erinnerung – eine Tatsache, die maßgeblich dazu beiträgt, dass Zeugenaussagen oft unzuverlässig sind; hochinstruktiv und im gleichen Sinne der Neurophysiologe Wolf Singer, Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen, in: M. Kerner(Hrg.), Eine Welt – eine Geschichte?, 43. Deutscher Historikertag in Aachen (2000), S. 18 ff. – hier zitiert nach dem Manuskript des Originalbeitrages – S. 16 ff.: „Und so nimmt nicht wunder, dass beim Erinnern nur schwer zu trennen ist, welche Inhalte und vor allem welche Bezüge zwischen denselben bereits im Zuge des Wahrnehmungsaktes abgespeichert wurden und welche erst beim Auslesen und Rekonstruieren definiert oder gar hinzugefügt wurden. Auch hier ist das Problem, wie schon bei der Wahrnehmung, dass dem Erinnernden selbst meist nicht erkennbar ist, was von dem, was ihm als Erinnerung erscheint, tatsächlich wahrgenommen oder erst im Zuge des Rekonstruktionsprozesses hinzugefügt, umgeordnet und neu gedeutet wurde. – Wie nahe Erinnerung erneuter Wahrnehmung kommt, zeigen jüngste neurobiologische Entdeckungen auf beunruhigende Weise. … Es bedeutet …, dass Engramme nach wiederholtem Erinnern gar nicht mehr identisch sind mit denen, die vom ersten Lernprozess hinterlassen wurden. Es sind die neuen Spuren, die bei der Testung, also beim Erinnern, erneut geschrieben wurden. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Beurteilung der Authentizität von Erinnerungen“.

49) S. dazu nur Franz Wieacker, Pandektenwissenschaft und industrielle Revolution, JJb 9 (1968/1969), S. 1, 28: Der „Wirklichkeitsbezug der Rechtswissenschaft ist ein Hauptthema, vielleicht das Grundthema unserer Berufsverantwortung“.

50) S. BVerfG30.4.2003 – 2 BvR 2045/02NJW 2003, 2444 [B.I.1 b], wo unter Bezugnahme auf einschlägige empirische Untersuchungen (u.a.: Stephan Barton[Hrg.], Redlich aber falsch – Die Fragwürdigkeit des Zeugenbeweises [1995]) die Rede von der „Erkenntnis der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises generell“ ist.

51) S. BAG 21.11.1996 (Fn. 42) [II.4 a.] – Zitat Fn. 42.

52) S. hierzu den Hinweis von Erwin Fromm (unten, Fn. 58) auf LAG Frankfurt28.10.1974 – 1 Sa 463/74 [Leitsatz 1.]: „Erklärt ein Arbeitnehmer nach einer Auseinandersetzung und unter Alkoholeinfluss im Zorn, er gehe nach Hause und wenn das jemandem nicht passe, so werde er überhaupt nicht wiederkommen, so handelt es sich weder um eine (mangels eines wichtigen Grundes ohnehin unwirksame) außerordentliche noch um eine ordentliche Kündigung“; tendenziell ebenso LAG Frankfurt21.5.1985 – 13 Sa 102/85BB 1986, 135 [Leitsatz]: „Unmutsäußerung oder ein spontanes Imponiergehabe, die durch Streitigkeiten und Verärgerungen hervorgebracht werden, können nach Treu und Glauben von niemandem als ernstgemeinte rechtsgeschäftliche Willenserklärungen verstanden werden. In solchen Situationen muss der Wille des Arbeitnehmers zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses deutlich erkennbar hervortreten“.

53) S. ähnlich anschaulich den in gewisser Weise an den hiesigen Konflikt erinnernden Fall bereits in BAG28.2.1958 – 1 AZR 491/56 – ArbuR 1958, 378, 380 [IV.], der die ebenfalls mit fristloser Kündigung beantwortete Weigerung des dortigen Weisungsadressaten betrifft, Überstunden zu verrichten: Dort wirft der Erste Senat des BAG nämlich die Frage auf, ob die Arbeitgeberin ihre Anordnung eigentlich „in irgendeiner Weise begründet“ habe, und stellt dazu gleich selber klar, dass eine Begründung der Maßnahme durch Androhung fristloser Entlassung „nicht zu ersetzen“ sei.

54) S. Friedrich Glasl, Konfliktmanagement, 9. Auflage (2010).

55) S. Friedrich Glasl(Fn. 54) – hier zitiert aus der 7. Auflage (2002), S. 34 ff.; jedoch wortgleich in der 9. Auflage, S. 39 ff.

56) S. Erwin Fromm, DB 1994, 2626-2628.

57) S. oben, S. 11 Fn. 52.

58) S. Erwin Fromm, DB 1994, 2626, 2627 [2.].

59) S. Erwin Fromm, DB 1994, 2627 [2 b.].

60) S. Friedemann Schulz von Thun, Miteinander reden, Bd. 1: Allgemeine Psychologie der Kommunikation (1989); Bd. 2: Differenzielle Psychologie der Kommunikation (1990). v 61) S. BGBl. I S. 333.

63) S. hierzu auch die nach wie vor immer noch ebenso aufschlussreichen wie lesenswerten Ausführungen aus der Entstehungszeit des BGB bei Benno Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich (1899), Bd. I, S. 451: „Die Notwendigkeit der Beachtung einer Form ruft bei den Beteiligten eine geschäftsmäßige Stimmung hervor, weckt das juristische Bewusstsein, fordert zur besonnenen Überlegung heraus und gewährleistet die Ernstlichkeit der gefassten Entschließung. Die beobachtete Form stellt ferner den rechtlichen Charakter der Handlung klar, dient, gleich dem Gepräge einer Münze, als Stempel des fertigen juristischen Willens und setzt die Vollendung des Rechtsakts außer Zweifel“.

64) S. dazu nur BAG16.9.2004 – 2 AZR 659/03NZA 2005, 162 = DB 2005, 232 [B.I.2 c.]: „Aus dem Streit heraus entstandene mündliche Äußerungen, deren Wortlaut häufig über das in der konkreten Situation eigentlich Gemeinte hinausgeht, sollen nicht über das Schicksal eines Arbeitsverhältnisses entscheiden. Die Gerichte sollen der zeitraubenden und oft kaum befriedigend lösbaren Aufgabe enthoben werden, nachträglich die Frage zu klären, ob spontan und oft in Erregung gesprochenen Worten der Ernst rechtserheblicher Willenserklärungen beigemessen werden kann. … Das Gesetz nimmt damit bewusst in Kauf, dass sogar unstreitig im Ernst – aber eben nur mündlich – abgegebene Auflösungserklärungen wirkungslos sind“; s. auch BAGa.a.O. [B.I.2 b.]: „emotional gefärbter“ Verlauf von Gesprächen.

65) S. hierzu auch die nach wie vor immer noch ebenso aufschlussreichen wie lesenswerten Ausführungen aus der Entstehungszeit des BGB bei Benno Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich (1899), Bd. I, S. 451: „Die Notwendigkeit der Beachtung einer Form ruft bei den Beteiligten eine geschäftsmäßige Stimmung hervor, weckt das juristische Bewusstsein, fordert zur besonnenen Überlegung heraus und gewährleistet die Ernstlichkeit der gefassten Entschließung. Die beobachtete Form stellt ferner den rechtlichen Charakter der Handlung klar, dient, gleich dem Gepräge einer Münze, als Stempel des fertigen juristischen Willens und setzt die Vollendung des Rechtsakts außer Zweifel“.

66) S. dazu statt vieler LAG Hamm15.3.1983 – 11 (10) 904/82 – DB 1983, 1930; Hessisches LAG26.4.1999 – 16 Sa 1409/98 – LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71 = NZA-RR 1999, 637: „Umlernphase“; früher bereits Wilhelm Herschel/Manfred Löwisch, KSchG, 6. Auflage (1984) Rn. 106: „genügend Zeit zur Leistungssteigerung … lassen“.

67) S. im gleichen Sinne Joachim Heilmann/Tatjana Aigner, Streitkultur in Wirtschaftsunternehmen – Zur Konzeption eines abgestuften Konfliktmanagements, in: Dieter Strempel/Theo Rasehorn(Hrg.), Empirische Rechtssoziologie, Gedenkschrift für Wolfgang Kaupen (2002), S. 223, 239: „Insgesamt dokumentieren die Erscheinungsformen der Intervention den Versuch, die durch das Fehlverhalten gestörte Kooperation wiederherzustellen“.

68) S. dazu Bernd Ruberg, Schikanöse Weisungen (2004), S. 96: „Es geht dabei – durchweg – um die auf den dialogischen Umgang miteinander angewandten Gebote des Kant‘ schen sogenannten ‚kategorischen Imperativs‘, neben seiner physischen Integrität vor allem das Selbstwertgefühl des Gesprächspartners – so ‚berechtigt‘ unsere Kritik an ihm auch immer sein mag – nicht unnötig zu verletzen. Erfolgreiches ‚Feedback‘, so drückt es beispielsweise Norbert Coprey[in: „So wird das aber nie was mit Ihnen!‘, PersF 4/2002, S. 1, 2] aus, ’setzt vor allem jegliche Abwesenheit von Abwertung, Herabsetzung und Demütigung voraus’“.

69) S. Text: „§ 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen.(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden“.

70) S. Text oben, S. 7 Fn. 30.

71) S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge.(1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.

72) S. Text: „§ 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen.(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. … “.

73) S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils.(1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.

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